06 Exil

Wie für viele jüdische Schriftsteller bedeutete auch für Karl Wolfskehl die nationalsozialistische Machtübernahme im Januar 1933 eine Zerstörung etablierter Arbeitszusammenhänge

Wolfskehl unterm Feigenbaum 1938. Der Feigenbaum war für Wolfskehl Sinnbild für den Verbannten, der fern vom Mittelmeer sein Dasein behauptet.
Foto: Maja Blumenfeld-Bagley
© Deutsches Literaturarchiv Marbach
Hand im Feigenbaum. Das Foto wurde von Margot Ruben aufgenommen. Auf der Rückseite findet sich der Vermerk: »Wir sind gestrandet.«
© Deutsches Literaturarchiv Marbach
Wolfskehl wurde im April 1933 vom Münchener Rotary Club, den er 1929 mitbegründet hatte, ausgeschlossen. Gleichzeitig kündigte ihm der Zeitungsverlag Knoor & Hirth, in dessen Beirat Wolfskehl seit 1928 gesessen hatte.

Wolfskehl floh im Februar 1933 zunächst in die Schweiz und im November 1934 nach Italien. Der Tod Georges am 4. 12. 1933 in Minusio/Italien bedeutete eine weitere tiefe Erschütterung für Wolfskehl. Dennoch blieb für Wolfskehl die tiefe geistige Bindung an George bestehen: Über Georges Tod hinaus war für Wolfskehl die innere Ausrichtung auf den »Meister« existenziell. 


Schweiz, Italien, Neuseeland

Die weite Reise und den Aufenthalt in Neuseeland finanzierte Wolfskehl 1937 mit dem Verkauf seiner kostbaren Bibliothek an den jüdischen Verleger Salman Schocken. Wolfskehls Bibliothek wurde 1938 nach Jerusalem transferiert und Teil der Schocken Library. Nur wenige Bücher begleiteten Wolfskehl ins Exil, unter anderem Veröffentlichungen aus dem Umkreis der Blätter für die Kunst. 

Zwar litt Wolfskehl in der Schweiz und in Italien (1933 – 1937) unter seiner Exilsituation, die Emigration nach Auckland 1938 bedeutete jedoch einen Bruch, dessen Radikalität sich erst allmählich herauskristallisierte. Es gelang ihm erneut, einen ausgewählten intellektuellen Freundeskreis aufzubauen, dennoch fühlte er sich fern von Europa isoliert und abgeschnitten von vertrauten historisch gewachsenen Bildungstraditionen. Zudem verschlechterte sich sein gesundheitlicher Zustand weiterhin. 

Der plötzliche Zwang ins Exil gehen zu müssen, löste bei Wolfskehl eine intensive Auseinandersetzung mit der eigenen deutsch-jüdischen Identität aus: Seine Lyrik wird nun Ausdruck einer persönlichen wie geschichtsphilosophisch-religiösen Hinwendung zum Judentum.

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